Klagenfurt: Sisyphus 2015
ISBN: 978-3-901960-95-6
92 S., Broschur, Format 13,5 x 20,5 cm
€ 10,80
Die Einsamkeit einer Niedergelassenen
Im täglichen, so oft vergeblichen beruflichen Kampf gegen Krankheit, Siechtum und Tod leidet eine praktische Ärztin zunehmend unter einer inneren Zerrissenheit. Die Sachlichkeit und emotionale Distanz, die sie in jüngeren Jahren beruflich auszeichneten – damals, als das Sterben noch „ausnahmslos Thema der anderen“ war –, ist ihr im Laufe der Zeit immer mehr abhandengekommen. An ihrer Stelle manifestieren sich Zweifel und Erschöpfung, die durch ihre fortschreitende private Isolation noch verstärkt werden.
Erst durch einen zunächst sehr unerwarteten Internetkontakt mit einem Künstler gelingt es ihr, wieder etwas Kraft zu schöpfen – obwohl sie dessen Persönlichkeit insgeheim als „in sich widersprüchlich und möglicherweise pathologisch auffällig“ diagnostiziert. Als dieser sich dann nicht mehr meldet und alles genauso trist und ausweglos ist wie zuvor, droht sie endgültig den Boden unter den Füßen zu verlieren …
(Klappentext)
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Eine Ärztin, die es nicht mehr schafft, die Distanz zu den Problemen ihrer Patienten zu wahren und immer mehr von der eigenen Vergänglichkeit geplagt wird.
Christoph Hartner, Kronen Zeitung
Der steirische Autor Heinz Kröpfl schildert das öffentliche Leben und stille Leiden einer namenlosen Landärztin. Sein Erzählstil ist kurz und prägnant, an den medizinischen Berufsalltag entlehnt, wo „jedes Wort sitzt“.
Martin Burger, Ärzte Woche
Kalt und emsig wie eine Krankengeschichte wird ihr Leben protokolliert. […]
Heinz Kröpfls Erzählung aus der Arbeitswelt lässt der Heldin nicht viel Spielraum, Krankheit und psychischer Ausnahmezustand sind allgegenwärtig, die Welt der Kleinstadt ist in ihrer Stumpfheit keine Hilfe, das Netz erweist sich als untauglich für ein stabiles Liebesverhältnis, die Kunst ist, wenn man Pech hat, ein Fall für das Krankenhaus. Und doch strömt aus dem scheinbar ereignislosen Lebenslauf eine gewisse Verlässlichkeit […]. Eine klare poetische Ansage im Sinne der „Verstörung“.
Helmuth Schönauer, biblio.at
Ein Buch, das starke Impulse setzt und über die Erlebnisse hinaus aufhorchen lässt.
Helga Helnwein, Literarische Kostproben
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Die Ärzteschaft kommt in der Literatur meist als positives Heldentum vor, ihre Mitglieder sind oft die einzigen, die den Durchblick haben, und die letzten, die der Mensch zu Gesicht bekommt, ehe er abtritt.
Heinz Kröpfl zeigt mit seiner Erzählung "Die Ärztin", dass Ärzte auch Menschen sind, vor allem wenn sie so ein standesgemäßes Arbeitspensum absolvieren müssen wie die Protagonistin. Kalt und emsig wie eine Krankengeschichte wird ihr Leben protokolliert. Am Anfang steht das Welt-Motto aus Thomas Bernhards Verstörung: "Die Menschen sind nichts anderes als eine in die Milliarden gehende ungeheure auf die Kontinente verteilte Sterbensgemeinschaft." Am Schluss folgt daraus im Thomas Bernhard Duktus: "Noch in derselben Nacht nahm sie eine Überdosis Schlaftabletten." (90)
Die Ärztin hat das Leben eigentlich schon hinter sich, obwohl es noch nicht zu Ende ist. In der Kleinstadt wird selbst das Ungewöhnliche für normal gehalten. Ihr Mann ist vor eineinhalb Jahrzehnten am Krebs gestorben, Sohn und Tochter sind irgendwie erwachsen geworden, an einem Standard-Tag fertigt sie einhundertfünf Patienten ab.
Zwischendurch gibt es eine Liaison, dann wieder Urlaube, manchmal schwere Schicksale, wenn etwa eine junge Patientin stirbt und man nicht weiß, ob man als behandelnde Ärztin überhaupt zu ihrem Begräbnis erscheinen soll. Dann gibt es heikle Einsätze, wenn jemand aus dem öffentlichen Bereich in einem Bordell stirbt oder ein anderer sich trotz öffentlicher Keuschheit eine öffentliche Geschlechtskrankheit holt.
Aufregend wird es für die Ärztin noch einmal, als sie im Netz mit einem Künstler zusammenkommt, der düstere Bilder malt, obwohl er auf Anhieb nichts von Thomas Bernhard versteht. Aber beide sind zu sehr in ihren Welten verkapselt, so dass es nur noch zu einer allgemeinen Reflexion reicht. Zudem sind die Kontakte des Künstlers spontan, unverlässlich und trotz des Ewigkeitsanspruches der Kunst nicht sehr dauerhaft.
"Was waren die Menschen? Die Menschen waren bedauernswerter als die Götter, die wussten, dass sie ewig lebten; und sie waren bedauernswerter als die Tiere, die nicht wussten, dass sie sterben mussten." (83) Solche Sachen denkt sich die Ärztin in der Badewanne liegend zusammen und bedauert sich um das Wissen um die eigene Sterblichkeit. - Dann kommt es schließlich zum poetischen Finale.
Heinz Kröpfls Erzählung aus der Arbeitswelt lässt der Heldin nicht viel Spielraum, Krankheit und psychischer Ausnahmezustand sind allgegenwärtig, die Welt der Kleinstadt ist in ihrer Stumpfheit keine Hilfe, das Netz erweist sich als untauglich für ein stabiles Liebesverhältnis, die Kunst ist, wenn man Pech hat, ein Fall für das Krankenhaus. Und doch strömt aus dem scheinbar ereignislosen Lebenslauf eine gewisse Verlässlichkeit, nämlich dass alles einmal vorbei sein wird. - Eine klare poetische Ansage im Sinne der "Verstörung".
Helmuth Schönauer
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